Sonntag, 23. Februar 2014

Der Tag, an dem Herr S. in den Filter schwamm

Es ist Sonntag. Der Tag der Familie. Das bedeutet 7:30 aufstehen, dann mit Mann und Kind kuscheln und bei einem ruhigen Frühstück den Tag beginnen, bevor es in den Gottesdienst geht.
Aber nicht heute. Heute meldet sich der Nachwuchs um 5:15. Alles kein Problem. Kind wickeln, stillen und wieder ab ins Bett. Mama und Papa schlafen wieder ein. Der Nachwuchs nicht. Also aufstehen. Um 5:45, denn der Nachwuchs lässt sich auch nicht mit Spielzeug im Bett bestechen, noch eine Weile ruhig zu sein. Aber es ist Sonntag und Papa hat Mama versprochen, dass sie mal ausschlafen darf und er aufsteht. Und so ist es. Papa steht auf. Mama dreht sich auf die andere Seite und zieht die Decke über den Kopf, während Papa die Tür schließt. Herrlich diese Ruhe! Um 7:30 ist es soweit. Herrlich duftender Toast und dazu ein frisch zubereiteter Espresso empfangen Mama am Küchentisch. Leider bleibt das einzig verlockende am Kaffee sein Geruch, denn der Kaffee reicht gerade mal für eine halbe Tasse, die eher an die Pfützen auf dem Hinterhof erinnert. Aber davon lassen wir uns nicht den Tag verderben. Nicht heute, denn es ist Sonntag. Es stört auch nicht, dass der Nachwuchs ausgerechnet heute parallel zum elterlichen Frühstück sein morgendliches Gläschen verlangt und dadurch den sonntäglichen Terminplan herausfordert. Mit einiger Verzögerung ist es endlich geschafft. Man begibt sich auf den Weg zum Gottesdienst. Für das Vormittagsschläfchen bleiben knapp 30 Minuten bis der Gottesdienst beginnt. Auch das kann man schaffen, denn der Nachwuchs ist so hundemüde, dass die Augen schon im Treppenhaus zu fallen- Aber nur, um draußen wieder geöffnet zu werden, denn es gibt ja so viel zu sehen. 10 Minuten vor Gottesdienstbeginn siegt der Schlaf über die Neugier. Leider nur von kurzer Dauer. Das Klavierspiel im Gottesdienst stört die eben erreichte Schlafphase empfindlich.
Nach dem Gottesdienst begibt man sich zügig auf den Heimweg, denn das Kind muss ins Bett. Schnell noch das Mittagsgläschen servieren, zustillen, Windel wechseln und ins Bett. Endlich wieder im Zeitplan. Es bleiben zwei bis drei Stunden Mittagsruhe, bis es bei schönstem Sonnenschein auf einen Ausflug gehen soll.
Zu früh gefreut. Das Mittag ist gerade beendet, da meldet sich der Nachwuchs. Anscheinend empfindet er den Mittagsschlaf als nicht so wichtig wie Mama und Papa. Was soll man machen? Das Kind wird aus dem Bett geholt und gemeinsam mit Papa wird das Aquarium geputzt. Tagesaufgabe: Filter reinigen. Gerade beugt sich Papa über das Waschbecken und den entnommenen Filter als das Telefon klingelt. Mama erkennt: der Anruf ist für Papa bestimmt und ruft. Papa rennt ans Telefon und Mama erkennt bei dem Blick ins Waschbecken etwas buntes kleines zuckendes. Ist das nicht? Ja, das ist Herr S. Der Schmetterlingsbuntbarsch. Im Waschbecken. Aber wie zurück mit ihm ins Aquarium? Herr S. macht es einem leicht. Er hüpft in den Stöpsel, von dem aus er problemlos in den Kescher und anschließend zurück ins kühle Nass bugsiert werden kann. Alles halb so wild. Als Papa vom Telefon zurück kommt dreht Herr S. schon wieder seine Runden mit aufgestellten Flossen, um Frau S. zu imponieren. Alles halb so wild, denn es ist Sonntag.
Als Nachmittagssnack stehen selbstgebackene Waffeln auf dem Plan. Teig anrühren, Waffeleisen einstecken, los geht’s. Die erste Waffel misslingt. Das Eisen ist nicht heiß genug. Also Temperatur erhöhen. Waffel Nr. 2 klebt am Deckel. Das Eisen ist nun zu heiß und das Öl verbrennt zu schnell. Beim vorsichtigen Ablösen zerfällt die Waffel in ihre Einzelteile. Es folgen fünf weitere klägliche Versuche. Das Ergebnis: keine einzige heile Waffel. Aber Bruchware kann man ja auch naschen. Sie sieht nur eben nicht so hübsch aus. Eine halbe Stunde später dann die Nachwirkungen: Bauchkneifen vom allerfeinsten. Irgendetwas stimmte da nicht. Zum Glück ist der Nachwuchs für Waffeln noch zu klein. Magenschmerzen beim Kind hätten gerade noch gefehlt. Mittlerweile ist es viel zu spät für einen Sonntagsausflug bei Sonnenschein. Beim Nachwuchs macht sich Unmut breit: Müdigkeit ist doof. Aber ein Nachmittagsschläfchen noch mehr. Was bleibt? Zusammen mit Mama und Papa vors Aquarium setzen und entspannen. Fische und Schnecken zählen. Doch wo ist Herr S.? Der wird sich verzogen haben, um sich von seinem Schreck zu erholen. So die fachmännische Meinung von Papa. Er muss es wissen. Denn es sind seine Fische. Nach dieser Verschnaufpause zurück auf die Krabbeldecke und ein bisschen Toben und Auskitzeln mit Papa. Der Sonntagabend verspricht Hoffnung. Nach einer Weile übernimmt Mama die Kinderbetreung und Papa sucht auf Mamas Drängen hin Herrn S., denn von dem fehlt nach wie vor jede Spur. Papa streicht vorsichtig durch die Pflanzen, dreht einzelne Wurzeln vorsichtig um, öffnet die Steinhöhle. Aber von Herrn S. fehlt jede Spur. Mama hat so eine Ahnung und Papa nimmt ein zweites Mal den Filter ab und heraus trudelt ein lädierter und lebloser Herr S. Wieso schwimmt ein Fisch zweimal in den Filter? Er muss wohl suizidale Gedanken gehabt haben. Anders ist das nicht zu erklären. Zur Trauer bleibt in diesem Moment keine Zeit, denn es ist 18:30: Schlafenszeit. Schlafanzug an und dann ab ins Schlafzimmer zur letzten Mahlzeit, Gute-Nacht-Lied und Abendgebet. Der Nachwuchs leistet keinen Widerstand und kuschelt sich am Daumen lutschend an Mama an, während Papa das Abendgebet spricht. Danach geht’s ab in den Schlafsack und ins Bettchen. Friedlich kuschelt sich der ganze Stolz der Eltern ins Bettchen und schon bald sind gleichmäßige Atemzüge zu vernehmen. Ein wunderschönes Bild.
Plötzlich durchzuckt es Mama beim Anblick des selbst genähten Pyjamas des Nachwuchses: Zum Glück ist der neue Schlafanzug schon seit drei Tagen fertig. Nicht auszudenken, was passiert wäre, wenn Mama sich heute an die Nähmaschine gesetzt hätte, um ihn zu beenden...

Und so sieht das gute Stück aus:



Stoff: Nautistore


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